Liebe Leserin, lieber Leser,
dies wird heute mein Jahrestagartikel. IAMA hat an einem 21. September das Licht der Welt erblickt. Daher wollte ich einen besonderen Beitrag verfassen und es ist tatsächlich ein besonderer Artikel geworden. Das Thema ist groß, doch was man gewöhnlich darüber weiß, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenigstens habe ich mich so gefühlt, als ich mein Interview geführt habe und anschließend recherchiert habe. Sollte ich Ihnen den Text in zwei Mal präsentieren? Sollte ich einen Vorspann mit den wichtigsten Gedanken machen? Nein, nichts von all dem, denn jedes Wort, jeder Buchstabe ist in diesem Zusammenhang wichtig. Ich habe aber überlegt, dass es Ihnen vielleicht oft wie mir ergeht. Manchmal höre ich gerne eine Sendung, wenn ich gerade im Bad bin in der Früh oder wenn ich koche. Da ist die Entscheidung gefallen: dieser Artikel wird Ihnen sowohl schriftlich, wie auch als Podcast angeboten. Nur eine Empfehlung: lesen oder hören sie ihn nicht vor dem Schlafengehen. Danke! IAMA
Beitrag von Vesna Caminades
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
starke Kopfschmerzen sind mir nichts Neues. Damit muss ich öfters fertig werden, wenn ich trotz allem fit und aktiv sein will. Da bin ich nicht die Einzige. Zum Glück gibt es allerdings Medikamente, die sofort wirken und somit eine bestimmte Lebensqualität gewährleisten. Der Preis dafür ist jedoch in jeder Hinsicht sehr hoch.
Die Covid-Krise hat uns allen ziemlich zugesetzt. Das alles ist noch nicht fertig. Langsam erholen wir uns. Es zirkulieren Theorien über Massenimmunität der Bevölkerung, über neue unbekannte und aggressivere Varianten des Virus. Manch einer will sich nicht impfen lassen, der andere will ohne „Green Pass“ überhaupt nicht mehr auf die Straße gehen. Alles dreht sich um dieses Wundermittel, den Impfstoff.
Persönlich habe ich mich gefragt, wie kann es sein, dass in kaum einem Jahr plötzlich so viele Vakzine auf den Markt kommen? Anscheinend mit bis zu 80-90% Wirksamkeit gegen das Virus. Wie kann so etwas sein, wenn die normale Entwicklungszeit Jahre, Jahrzehnte und mehr in Anspruch nimmt? Doch was mich noch mehr überrascht: wo sind denn all die Tierversuche geblieben? Sie wissen schon, die Ratten, Kaninchen, Beagles, Affen, die manchmal auf Bildern abgebildet sind, die man aber lieber nicht sehen will. Wo man am ehesten wegschaut, denn sie sind nicht schön. Ja, was ist also Sache? Einige Monate ist ein zu kurzer Zeitraum, um ein Produkt sowohl an Tieren wie auch an Menschen zu experimentieren. Wurden vielleicht Impfstoffe entwickelt, die es bereits als Basiselemente gab und die einfach verfeinert werden mussten? Oder haben wir Vakzine hergestellt, die direkt am Menschen getestet wurden? Du Schreck, das wäre doch nicht ethisch? Oder doch, wenn es einem an den Kragen geht und die Politik gezwungen ist, Resultate zu liefern? Da liefert die Webseite des Vereins „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ eine klare Antwort, denn wie für alles, wurden auch bezüglich der Corona-Impfstoffen Tierversuche durchgeführt, und zwar teilweise parallel zu „Menschenstudien“:
„Kernbotschaft der halbstündigen Konferenz ist unter anderem, dass aktuell zwar zahlreiche Tierversuche für die Corona-Forschung durchgeführt werden, diese aber keine wesentliche Rolle gespielt haben. Es gibt keine Tierart, die die komplexen Corona-Symptome des Menschen mit dem Befall zahlreicher Organe entwickelt. Impf-Versuche mit künstlich infizierten Mäusen und Ratten können keine verlässliche Auskunft darüber geben, ob die Vakzine sie zu schützen vermögen. Dagegen haben verschiedene tierversuchsfreie Testverfahren, etwa mit aus menschlichen Zellen gezüchteten Mini-Organen, eine wichtige Rolle gespielt, um essenzielle Erkenntnisse über die Infektionswege und -mechanismen des Coronavirus sowie über die Struktur, Effizienz und Verträglichkeit möglicher Impfstoffe und Medikamente zu erlangen.“
Ich nehme an, dass heutzutage reine „Menschenversuche“ unvorstellbar wären, das würde man wohl als „unethisch“ einstufen, oder nicht? Bei den Corona-Impfstoffen und der Geschwindigkeit, mit der sie entwickelt wurden, hätte ich mir das aber fast erwartet. Doch wie wir im oben angeführten Artikel nachlesen können, ist dem nicht so.
Andrerseits will ich mir nicht einbilden, dass mein Kopfschmerzen-Medikament womöglich „ausschließlich am Menschen“ getestet worden wäre. Dort haben ohne jeglichen Zweifel zahlreiche Tiere unsagbar leiden müssen. Und ich – als Tierfreundin – verwende dieses Produkt; aber was soll ich sonst machen, wenn mir vor Schmerz der Kopf explodiert? Da habe ich mir gedacht, ich möchte wissen, was hinter den Tierversuchen steckt. Und ich habe dabei diesen Verein entdeckt: „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“. Dieser besteht aus Ärzten und Wissenschaftlern mit großem Sachverstand und gleichzeitig viel Herz.
Ich hatte das Glück, mit Frau Dipl.-Biol. Silke Strittmatter über dieses Thema und den Tätigkeiten des Vereins reden zu dürfen. Die vorbereitende Lektüre und dieses Gespräch haben mir die Augen geöffnet. Ich habe Dinge erfahren, die hätte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können. Im Guten und im Bösen. Und all das möchte ich gerne mit Ihnen teilen!
Seit ich ein kleines Mädchen war, habe ich immer gehört: „Tierversuche sind notwendig, damit wir Menschen über Medikamente verfügen können.“ Das habe ich ohne langes Überlegen geschluckt. Später als ich zufällig gewisse Bilder sah (Sie wissen schon, jene, die einem das Herz zerreißen, wo man aber „nichts dagegen tun kann“), kam ein leiser Zweifel in mir auf. Müssen andere Lebewesen derartig gequält und misshandelt werden, damit ich meine Tabletten gegen die Migräne haben kann? Oft haben mir Leute gesagt „ich sei eine Hypokritin, weil ich gegen Tierversuche bin, aber trotzdem meine Pillen schätze, wenn ich vor Kopfschmerzen flach liege.“ Da habe ich mir eine Zeit lang gedacht, ja, es stimmt leider. Ich rede gescheit, aber meine Tablette will ich. Heißt das mit anderen Worten, dass ich stillschweigend Versuche an lebenden Tieren befürworte? Willige ich also ein, dass man Lebewesen bei vollem Bewusstsein absichtlich schreckliche Schmerzen zufügt, um Medikamente und Theorien auszuprobieren? Das hat mir ziemlich zugesetzt. Und eines Tages hat es mich wie der Blitz getroffen: der Mensch hat den Mond erobert, baut superschnelle High Performance Computers, simuliert die Wirklichkeit dank der virtuellen Realität und wir hängen noch davon ab, dass wir einer Maus den Bauch aufschlitzen und einem Affen, Schrauben in den Schädel bohren? Das kann es nicht sein. Ab da habe ich mich geweigert, Tierversuche blind als etwas „Notwendiges“ zu akzeptieren.
Ich danke Frau Strittmatter, dass Sie mir ihre Zeit widmet, um genau diesen Kernpunkt zu knacken: „Sind Tierversuche überhaupt so essenziell, wie oft behauptet wird?“ Die Antwort erschreckt mich: „Experimente an Tieren sind nicht notwendig, außerdem ist die Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen unzuverlässig und riskant.“. Wie der Verein „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ sind auch zahlreiche andere Wissenschaftler davon überzeugt:
„Traditionelle Tierversuche sind teuer, zeitintensiv und verbrauchen viele Tiere. Aus wissenschaftlicher Perspektive lassen sich die Ergebnisse daraus außerdem nicht zwangsläufig auf den Menschen übertragen.“ – Dr. Christopher Austin, ehem. Direktor des Chemical Genomics Center der National Institutes of Health (NIH), USA
„Mäuse sind Mäuse und Menschen sind Menschen. Wenn wir uns auf Mäuse verlassen, um die Aspekte einer Krankheit beim Menschen und Heilmethoden abzubilden, verschwenden wir unsere Zeit.“ – Dr. Clifton E. Barry, Leiter der Abteilung Tuberkuloseforschung am National Institute of Allergy and Infectious Diseases, USA
Es stimmt, hier handelt es sich um US-Wissenschaftler; den Vereinigten Staaten, wo bis vor kurzem jemand, den wir alle kennen, behauptete, der Klimawandel existiere nicht. Bringt es also etwas, wenn wir uns deren Behauptungen anhören? Eindeutig ja.
Ich bitte Frau Strittmatter mir zu erzählen, wie der Verein „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ entstanden ist. Es braucht nämlich meines Erachtens viel Mut und Weitsicht, um sich als Arzt oder Wissenschaftler gegen Tierexperimente einzusetzen. Der Verein ist dank der Courage des Neurologen-Ehepaares Margot und Herbert Stiller sowie weiterer Mediziner vor über 40 Jahren in Hamburg ins Leben gerufen worden. Das Ärzte-Ehepaar wollte aus Berufung Menschen helfen, es ging also um das Heilen. Im Rahmen ihrer langjährigen Erfahrung haben sie aber erkannt, dass Tierversuche irreführen können. Als sie dies entdeckten, haben sie sich davon abgewandt. Aktuell zählt der Verein über 3.500 Mitglieder.
„’Medizinischer Fortschritt ist wichtig – Tierversuche sind der falsche Weg!’ – Unter diesem Motto setzen sich die Ärzte gegen Tierversuche e. V. seit 1979 für eine tierversuchsfreie Medizin ein, bei der Ursachenforschung und Vorbeugung von Krankheiten sowie der Einsatz von modernen Forschungsmethoden z.B. mit menschlichen Zellkulturen und Organchips im Vordergrund stehen. Ziel ist die Abschaffung aller Tierversuche und damit eine ethisch vertretbare, am Menschen orientierte Medizin – eine Wissenschaft, die durch moderne, tierversuchsfreie Testmethoden zu relevanten Ergebnissen gelangt.“
So die Vereinswebseite, die übrigens beeindruckend ist. Extrem klar strukturiert, verständlich mit eigenen Beiträgen für Kinder und Jugendliche. Diese haben es mir übrigens sehr angetan, denn sie sind derart neutral, informationsreich aber ohne Abschreckabsicht gestaltet, dass es mir zu Beginn fast unmöglich erschien. Und ehrlich gesagt, diese comic-artigen Dokumentarfilme sind auch richtig gut und nett gezeichnet. Die kleine Maus oder Harry der kleine Beagle. Es ist also tatsächlich möglich, einen so grausamen Inhalt im Zeichentrickformat an die Frau und an den Mann zu bringen – auch die Kleinsten darunter. Ich lade Sie wirklich ein, einen Blick in diese Animationsfilme zu werfen. Es gibt außerdem weitere Videos und Podcasts, die ohne Brutalität Licht ins Dunkel bringen.
Was ist allerdings dieses „Dunkel“? Hier ein Artikel der TAZ dazu:
“Wir töten die Tiere mit einer kleinen Guillotine”, sagt Damir Omerbasic. “Oder mit einer Kohlendioxid-Kammer. Dann entnehmen wir ihnen Gewebe, das wir untersuchen.” Der Doktorand am Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC) im Berliner Stadtteil Buch hält gerade ein Exemplar der Säugetierart Afrikanischer Nacktmull in der Hand. Man hört, wie die Krallen der Nacktmulle in einem Käfig hinter Omerbasic auf dem Plastikboden ausrutschen. Ist es wirklich nötig, solche hilflosen Lebewesen umzubringen?
“Mir bringt es keinen Spaß, Tiere zu töten”, antwortet Omerbasic. Aber die Versuche seien notwendig, um herausfinden, welcher Teil des Nervensystems die Nacktmulle schmerzunempfindlich gegen Säure macht. Warum muss die Menschheit das erforschen?
“Ich vergrößere nur das Grundlagenwissen”, sagt der junge Wissenschaftler. Andere Forscher müssten dann daraus praktische Anwendungen entwickeln – zum Beispiel ein wirksames und nebenwirkungsarmes Schmerzmittel für Menschen mit chronischen Entzündungen.
Das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs; was darunter liegt ist atemberaubend – im schlimmsten Sinne des Wortes. Der Verein „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ hat zahlreiche Statistiken gesammelt und bringt unter anderem einen Vergleich „Pro und Contra“ zu diesem umstrittenen Thema. Jeder angeführte Punkt wird entsprechend vertieft – erlauben Sie mir, einige Beispiele anzuführen:
Mich erschreckt das alles enorm. Denken wir nur an die Zusammenhänge: Milliardenhohe Finanzierungen jedes Jahr für Laboruntersuchungen an Tieren, wobei über 90% der, aus den Experimenten resultierenden Medizinen schließlich am Menschen scheitern? Und das, um mit unseren Steuergeldern einen gewinnbringenden Industriezweig zu fördern? Eine Geschäftsbranche, die Tiere produziert, damit sie gefoltert, misshandelt, genetisch manipuliert und umgebracht werden? Dafür würde ich doch keine Steuergelder zahlen wollen. Ich brauche etwas Zeit, um das zu verdauen. Das ist wie eine Ohrfeige für mich. Da werde ich wohl etwas später auf die Hintergründe eingehen.
Aber inzwischen noch eins drauf.
Schon jetzt hat das Delbrück-Centrum eine der größten Tierversuchsanlagen in Deutschland. Bis 2020 will die vom Bund und Berlin finanzierte Forschungseinrichtung die Zahl ihrer Käfige für Mäuse und Ratten nach eigenen Angaben um rund 17 Prozent auf ca. 20.800 erhöhen.
“Das entspricht rund 64.800 Tieren”, sagt Pressesprecherin Barbara Bachtler. Das entspricht dem bundesweiten Trend zu immer mehr Tierversuchen. Experten erklären ihn damit, dass man seit einigen Jahren vergleichsweise leicht Versuchstiere gentechnisch verändern kann. So entwickeln sie zum Beispiel Krankheiten, die sich dann anhand der Tiere untersuchen lassen. 90 Prozent ihrer Tierversuche will die Einrichtung in einem Neubau konzentrieren. Kostenpunkt: 24 Millionen Euro. Wie viele Tiere dann auch Versuchen unterzogen und schließlich getötet werden, ist noch nicht absehbar.
Sie haben richtig verstanden: wir manipulieren das Erbgut gesunder Tiere, damit sie erkranken. Auf diese Weise können wir Medikamente experimentieren, um sie von Krankheiten zu heilen, an denen sie vorher nicht litten. Darf man dies „pervers“ nennen?
Und da wir gerade von öffentlichen Geldern sprechen. Frau Strittmatter erklärt mir, dass es bei öffentlichen finanziellen Unterstützungen nicht einfach ist, nachzuvollziehen, wohin die Gelder fließen. Das bedeutet, wenn ein Projekt regional, national oder auch mittels EU-Geldern finanziert wird, dann ist es nicht offensichtlich, welcher Anteil dieser Mittel eben Tierexperimente finanziert und in welchem Ausmaß. „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ unterstreicht immer wieder, dass sie für eine Wissenschaft ohne jegliche Tierexperimente sind: eine „Abwandlung, welche Schmerzmittel für die Tiere vorsieht oder aber eine bessere Behandlung“ ist keine Option; das Ziel ist: Null Tierversuche in der Forschung. Für die rein tierversuchsfreie Forschung gibt es aber kaum Gelder, zu 99% fließen sie in die klassische tierexperimentelle Forschung. Tierversuche müssen einfach abgeschafft werden, weil sie ethisch und wissenschaftlich nicht tragbar sind.
Hier zum besseren Verständnis (Quelle Ärzte gegen Tierversuche e.V.):
Davon war ich eigentlich schon vor dem Interview überzeugt, aber was mir Frau Strittmatter anschließend erzählt hat, das hat mir den Rest gegeben. Es gibt schränkeweise Studien, die belegen, dass Tierversuche eher ein Risiko darstellen.
Zwischen 95% und 98% der Medikamente, welche auf Tierexperimente basieren, scheitern, wenn sie zum ersten Mal am Menschen getestet werden. Unter jenen, die es auf den Markt schaffen, tragen nicht wenige Warnhinweise, da sie schädliche oder gar tödliche Wirkungen entwickeln können oder sie müssen vom Markt genommen werden.
Das ist eine fehlgeleitete und fehlleitende Forschung. Wie viele Medikamente, wie Penizilin und Aspirin, würden heute nicht mehr zugelassen werden, da sie bei Mäusen zum Beispiel Schäden verursachen. Für Menschen sind sie hingegen gut verträglich – nicht aber für Tiere. Aspirin wurde übrigens ohne Einsatz von Tierversuchen entdeckt, vor circa 100 Jahren. Wer Lust auf etwas Geschichte hat, findet auf der Webseite des Vereins die Timeline der „tierversuchsfreien Medikamente“. Hier der Link dazu. Das regt gewaltig zum Überlegen an.
Doch was sagt die EU-Gesetzgebung zum Thema? Nehmen wir einmal die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der, für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere.
Erlauben Sie mir, einige Paragraphen daraus zu zitieren:
Absatz 10: Obwohl es erstrebenswert ist, den Einsatz lebender Tiere in Verfahren möglichst durch andere Methoden zu ersetzen, bei denen keine lebenden Tiere verwendet werden, ist der Einsatz lebender Tiere weiterhin notwendig, um die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen (Anmerkung: wie wird „erstrebenswert“ definiert? Das sagt vieles und gar nichts)
Absatz 12: Tiere haben einen intrinsischen Wert, der respektiert werden muss. Auch bestehen seitens der Öffentlichkeit ethische Bedenken hinsichtlich der Verwendung von Tieren in Verfahren. Aus diesem Grund sollten Tiere stets als fühlende Wesen behandelt werden, und ihre Verwendung in Verfahren sollte auf Bereiche beschränkt werden, die letztendlich einen Nutzen für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt nach sich ziehen können. Der Einsatz von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken oder zu Bildungszwecken sollte deshalb nur dann erwogen werden, wenn es keine tierversuchsfreie Alternative gibt. Der Einsatz von Tieren in wissenschaftlichen Verfahren in anderen Bereichen, die in den Zuständigkeitsbereich der Union fallen, sollte untersagt werden. (Anmerkung: „sollte“ untersagt werden: ich begreife beim besten Willen nicht, was die Tragweite dieser Aussage ist: verboten oder erlaubt??)
Absatz 14: Die ausgewählten Methoden sollten wegen des in dem Zeitraum vor dem Tod gefühlten schweren Leidens den Tod als Endpunkt eines Versuchs möglichst vermeiden. Wenn möglich, sollte der Tod durch möglichst schmerzlose Endpunkte ersetzt werden, die klinische Anzeichen verwenden, mit denen der bevorstehende Tod erkannt werden kann, um es dadurch zu ermöglichen, das Tier zu töten, ohne dass es weiter leiden muss. (Anmerkung: ist das effektiv das Interesse des Versuches? Oder will man wissen, wie lange das Tier es aushält, bis es auf der Strecke liegen bleibt?)
Absatz 15: Die Anwendung unangemessener Tötungsmethoden kann für ein Tier erhebliche Schmerzen, Ängste und Leiden verursachen. Der Grad der Sachkunde der Person, die diesen Vorgang ausführt, ist ebenso bedeutend. Tiere sollten deshalb nur von einer sachkundigen Person und unter Verwendung einer Methode getötet werden, die für die jeweilige Tierart angemessen ist. (Anmerkung: selbst nach mehrmaligem Lesen kann ich diesen beiden Aussagen nichts Konkretes abgewinnen; nur „unangemessene Methoden“ verursachen Schmerzen und Ängste? Wo und wie werden die „pro Tierart angemessene Methoden“ definiert? Gibt es eindeutige Kriterien wie Gewicht, Geschlecht, Alter? Na, wenn ich an die vorhin genannte „kleine Guillotine“ denke, da weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll; wurden diese Texte denn von Maschinen oder Menschen verfasst?)
Was sagt der Verein „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ zu all dem?
„Die EU-Richtlinie zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere 2010/63/EU (kurz: Tierversuchsrichtlinie) regelt Tierversuche in der EU. Die EU hat das völlig veraltete Regelwerk komplett überarbeitet, die neue Richtlinie trat am 9. November 2010 in Kraft und wird in den nächsten Jahrzehnten über Leben und Tod von Millionen Tieren in den 27 Mitgliedstaaten entscheiden. Die Richtlinie hätte bis November 2012 in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Der beste Schutz von Tieren ist, nicht in den Labors gequält und getötet zu werden. Wenn es nach uns ginge, müsste die Richtlinie oder auch das deutsche Tierschutzgesetz nur einen Satz enthalten: »Tierversuche sind ausnahmslos verboten«.
Die Neufassung der Richtlinie wäre eine fantastische Chance gewesen, endlich einmal wesentliche Schritte voran zu kommen und, solange es noch Tierversuche gibt, wirksame Einschränkungen bei Tierversuchen gesetzlich festzulegen. Doch die Politik ist vor der einflussreichen und finanzstarken Tierversuchslobby eingeknickt.
Der im November 2008 von der Europäischen Kommission vorgelegte Novellierungsentwurf war zwar weit von unseren Forderungen entfernt, er enthielt aber zumindest einige Schritte in die richtige Richtung. Doch bei den folgenden Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und EU-Ministerrat wurden selbst die wenigen Verbesserungen des ursprünglichen Entwurfs abgeschwächt oder gar ganz gestrichen. Insbesondere die sogenannten Volksvertreter machten sich dabei zu Handlangern der milliardenschweren Tierversuchsindustrie, die bei schärferen Regelungen das Ende der medizinischen Forschung prophezeit.
Der Kompromiss, der schließlich ausgehandelt wurde und als neue Richtlinie verabschiedet wurde, stellt eine drastische Verschlechterung der ohnehin schon windelweichen Bestimmungen dar – trotz intensivster Bemühungen der Tierschutzseite. Den Totschlagargumenten der Pro-Tierversuchs-Lobby (»Ende der Medizin«, »Abwanderung der Forschung in Drittländer« usw.) wurde offensichtlich mehr Gehör geschenkt, als unseren fundierten Beweisen für das Versagen des Tierversuchsystems.“
Es gab einen Versuch, um der bestehenden Gesetzgebung endlich einen ordentlichen Ruck in Richtung Tierschutz zu geben: die Europäische Bürgerinitiative „Stop Vivisection“. Hier ein Update dazu.
Stop Vivisection wurde am 3. März 2015 bei der Kommission eingereicht. Zwischen dem 22. Juni 2012 und dem 01. November 2013 waren zu dieser Bürgerinitiative 1.173.130 Unterstützungsbekundungen eingegangen. Die Europäische Kommission hat am 03. Juni 2015 darauf geantwortet; hier die Eckdaten daraus:
Jyrki Katainen, ehemaliger Kommissar für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit, erklärte „Die Bürgerinitiative ‚Stop Vivisection‘ wurde in einer Umbruchphase ins Leben gerufen – dank bedeutender technischer Fortschritte geht die Zahl der Tierversuche in Europa nach und nach zurück. Ein vollständiges Verbot von Forschungsarbeiten mit Tieren in der EU wäre jedoch verfrüht und birgt die Gefahr, dass die biomedizinische Forschung in Länder außerhalb der EU verlagert wird.“
Der ehemalige Umweltkommissar Karmenu Vella hingegen „Das EU-Recht läuft letztlich auf eine Einstellung von Tierversuchen hinaus. Als Reaktion auf die Bürgerinitiative wird die Europäische Kommission eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, mit denen schnellere Fortschritte bei der Einführung und beim Einsatz alternativer Ansätze erzielt werden sollen.“
Fazit: Die Kommission war der Auffassung, dass sich gerade diese Richtlinie dazu eignet, die Ziele der Initiative zu verwirklichen, weshalb sie nicht vorschlagen wollte, sie außer Kraft zu setzen. Die Richtlinie sei notwendig, um ein hohes Schutzniveau für Tiere zu gewährleisten. Die Kommission wollte die Richtlinie überprüfen, sobald sie lange genug in Kraft war, um ihre Wirksamkeit bewerten zu können.
„Zwar ist die Kommission auch der Überzeugung, dass Tierversuche in Europa eingestellt werden sollten, doch um dieses Ziel zu erreichen, verfolgt sie einen anderen Weg als den von der Bürgerinitiative vorgeschlagenen.“
Am 18. April 2017 veröffentlichte die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly ihre Entscheidung zur Initiative „Stop Vivisection“. Diese kam zu dem Schluss, dass kein Missstand in der Verwaltungstätigkeit der Kommission vorliegt: Hier sowie hier und hier. Also, weiter wie bisher.
2017 veröffentlichte die Kommission außerdem einen Bericht zur Überprüfung der Richtlinie 2010/63/EU. Drei Jahre später – im Februar 2020 – veröffentlichte sie einen weiteren Bericht über die Umsetzung dieser Richtlinie. In diesen Berichten wurde erstmals ausgewertet, inwieweit die Richtlinie ihre Ziele erreicht und inwieweit sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Besteht also doch irgendwo Hoffnung, dass auf höherer Ebene eine Initiative zugunsten des Lebens dieser Laborgegenstände unternommen wird? Kann man womöglich sogar eine neue Richtlinie oder eher eine Verordnung erwarten?
Nun ja, 2020 war kein ideales Jahr, um Gesetzesvorlagen auf EU-Ebene weiterzubringen. Kurz vor einem EU-Kommissionswechsel, neues EU-Parlament, etc. da werden Initiativen leider nicht selten unter den Tisch gekehrt oder sie geraten einfach in Vergessenheit. Aufgrund des zeitlichen Druckes konzentriert man sich auf das Routine-Geschäft oder aber auf die brennenden Dossiers. Ob dann die neuen Parlamentarier, die neuen KommissarInnen diese wieder aufgreifen, neu aufrollen, in Frage stellen, neu überprüfen lassen etc. ist nicht sicher.
Dazu gibt es allerdings eine positive Entwicklung der letzten Tage. Ich zitiere dazu die Facebook-Seite von Prof. Dr. Klaus Buchner, ehemaliger Europa-Abgeordneter im EU-Parlament für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), ehem. Universitätsprofessor TU München:
„Gestern (also am 16.9.2021) stimmte das EU-Parlament der Forderung nach weniger Tierversuchen zu. Die Europäische Kommission ist jetzt aufgerufen einen Aktionsplan mit konkreten Zielen und festem Zeitplan vorzulegen!
Die bisherigen Bemühungen der Kommission reichen nicht aus. Statistiken aus 2018 zeigen, dass sich die Zahl der Tierversuche nicht nur nicht verringert hat, sondern in manchen Fällen sogar gestiegen ist – bei Versuchen für die es tierversuchsfreie Alternativen gibt!
Mit der Forderung nach einem konkreten Aktionsplan bündelt das EP die bisherigen Bemühungen im Kampf gegen unnötige Tierversuche. Wir hoffen sehr, die Kommission geht unserer Aufforderung nach und sorgt damit für eine Beschleunigung des Prozesses.“
Das klingt vielversprechend. Doch wie sieht die Realität jetzt konkret aus? Wir finden eine umfassende Datenbank mit erschreckenden Zahlen auf der Webseite des Vereins „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“. Jede dieser Zahlen besteht aus Schmerz, Angst und Leid eines Tieres.
Es gibt noch weitere Quellen, die das alles bekunden. So zum Beispiel die Seite des Deutschen Tierschutzbundes:
„Der „Verbrauch“ von Tieren für wissenschaftliche Zwecke ist in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 77.282 Tiere gestiegen: 2019 wurden insgesamt 2.902.348 Wirbeltiere und Kopffüßer (Kraken und Tintenfische) für wissenschaftliche Zwecke verwendet.
Wir kritisieren die hohe Zahl der Tiere, die für die Wissenschaft geopfert werden und fordern erneut von der Bundesregierung, eine Strategie zu entwerfen, wie man Tierversuche langfristig komplett durch tierversuchsfreie Methoden ersetzen kann und so dem endgültigen Ziel der EU-Tierversuchsrichtlinie Rechnung zu tragen.
Welche Tiere wurden 2019 für wissenschaftliche Zwecke verwendet?
- Mäuse: mehr als 2 Millionen
- Fische: über 390.000 (42 % mehr als im Vorjahr)
- Ratten: über 270.000
- Kaninchen: knapp 94.679
- Hunde: 3.527
- Affen: 3.443 (3 % mehr als im Vorjahr)
- Katzen: 954 (20 % mehr als im Vorjahr)
- diverse andere Tierarten
Erfreulich stimmt zumindest, dass 13.106 Tiere weniger als im Vorjahr den höchsten Grad an Schmerzen, Leiden und Schäden erlitten haben, obwohl die Zahl im Jahr 2019 mit 111.596 Tieren immer noch erschreckend hoch liegt. Beispiele für den höchsten Schweregrad sind Xenotransplantationen (Organtransplantation von einer Tierart auf eine andere) oder zuchtbedingte genetische Störungen, die mit schwerem Leiden verbunden sind.
Bei fast einer Million Tieren wurde Erbinformation manipuliert, um sie künstlich krank oder dem Menschen ähnlicher zu machen. Dies setzt die besorgniserregende Entwicklung der letzten Jahr fort, die leider zeigt, dass Forscher mit gleichbleibender Begeisterung mit dem Erbgut von Tieren spielen.“
Oder dieser Artikel von VRT Februar 2020:
„Belgien steht auf Platz sechs der europäischen Mitgliedstaaten mit der höchsten Anzahl von Tieren, die für die wissenschaftliche Forschung genutzt werden. Belgien gehört auch zu den fünf größten europäischen Anwendern von Testhunden und nimmt Platz sechs ein, was die höchste Anzahl von Tests, bei denen die Tiere starke Schmerzen erleiden, betrifft. Dies zeigt eine Analyse der Tierrechtsorganisation Gaia auf der Grundlage eines aktuellen Berichts der Europäischen Kommission für die Jahre 2015 bis 2017.“
“Ein wichtiges Ziel der inzwischen zehn Jahre alten Tierversuchsrichtlinie ist der Ersatz von Versuchstieren durch die Reduzierung, Verfeinerung und Ablösung von Forschungsmethoden. Experimentelle tierversuchsfreie Forschung ist als Ziel in der Richtlinie enthalten. Zehn Jahre später hat es den Anschein, als sei wenig oder nichts damit passiert”, so der Gaia-Vorsitzende Michel Vandenbosch.“
All diese Daten und Fakten finde ich furchterregend. Was noch grausamer ist, wenn man das Wort „Überschusstiere“ liest. Hier ein Artikel von Frau Strittmatter von Anfang August dazu:
„Eine aktuelle Auswertung des Vereins Ärzte gegen Tierversuche, die auf Anfragen an die Bundesländer basiert, zeigt, dass in Deutschland rund 4 Millionen Tiere in Tierversuchslaboren als sogenannter Überschuss getötet wurden, da es für sie keine Verwendung gibt.“
„Da es für sie keine Verwendung gibt“ – ist das ein Zustand, der mit einer fortschrittlichen Gesellschaft wie der unseren zusammenpasst? Dazu ist wohl nur unsere so hoch entwickelte Zivilisation imstande. Ich werde nicht oft genug Mahatma Gandhi zitieren: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln.“ Da schneiden wir wohl sehr schlecht ab.
Zum Glück gibt es auch Wege, um eine solche Realität Kindern und Jugendlichen näher zu bringen: so zum Beispiel die Webseite des Vereins „Harry hilft Tieren“. Sie erklärt Kindern auf sanfte Art und Weise, was Tierversuche sind. Es handelt sich dabei um Material für die Unter- und Oberstufe, für Eltern und Erzieher. Ich finde es unumgänglich, bereits den Jüngsten zu erklären, was dahintersteckt. Nur so kann man einen konkreten „change of mindset“ erreichen, und hoffentlich eine Gesellschaft, in welcher der Respekt für das Tierleben nicht irgendwo hinter wirtschaftlichen und anderen Interessen herhinkt, sondern Wirklichkeit ist.
An dieser Stelle müssen Sie mir eine Überlegung gestatten: ich schreibe über Tierversuche, Sie lesen über Experimente an Lebewesen, es gibt Statistiken darüber und Entscheidungen der EU-Institutionen: sind wir uns aber bewusst, dass jede Sekunde, wo wir darüber nachdenken, darüber auch nur ein Wort schreiben, diskutieren, ob es diese Praktiken geben soll oder nicht, Tiere bei vollem Bewusstsein aufgeschlitzt werden, manipuliert und terrorisiert werden? Dass sie unsagbare Schmerzen und Ängste ausstehen müssen, aber nicht um endlich sterben zu dürfen, sondern damit Wissenschaftler erforschen können, „wie lange sie es aushalten?“ Und all das, wohlwissend, dass es in den meisten Fällen mit aller Wahrscheinlichkeit, wenn nicht sogar mit Sicherheit, zu keinem brauchbaren Ergebnis führt? Wir reden hier über fühlende Lebewesen, nicht über Objekte, die man dann einfach entsorgt. Solange uns das nicht bewusstwird, in den Kopf geht und vor allem in unsere Herzen, werden alle Bürgerinitiativen der Welt nur mit Verwaltungsentscheidungen vom Tisch gekehrt. Wie kann man behaupten, „die gegenwärtigen Gesetze sollen nicht verändert werden, solange man nicht Beweise hat, dass dies notwendig geworden sei“? Es ist doch hoffentlich unumstritten, dass Labortiere schrecklichen Erfahrungen ausgesetzt werden.
Oder möchte jemand behaupten, dass all die Artikel und Zahlen darüber Erfindungen sind? Steckt womöglich hinter all dem tatsächlich mehr dahinter? Ein florierender Wirtschaftszweig? Geschäft? Profit? Nein, das kann doch nicht sein. Oder doch?
Hier ein interessanter Artikel von BR vom April dieses Jahres dazu. Darin geht man auf die aktuellen Zahlen „verwendeter“ Tiere in Deutschland ein, wobei Bayern leider Spitzenreiter ist. Verwendung deutet bereits darauf hin, dass diese Lebewesen nichts anderes sind als ein Laborzubehör. Ohne Seele, ohne Gefühle und ohne jegliche Empfindung. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Universitäten an Tierversuchen festhalten und dass alternative Forschungsmethoden, also jene, die keine Leben opfern, bei den Finanzierungen zu kurz kommen. „Es gibt viele gute Ansätze, die auf der Strecke bleiben, weil sie mangels Finanzierung nicht mehr weitergeführt werden. Eine einzige Maus-Mutante kann schon mal mehrere Hundert Euro kosten”, erklärt die baden-württembergische Tierschutzbeauftragte Julia Stubenbord.“
Wie kann es sein, dass gerade jungen Menschen und Medizin-Anwärtern eingetrichtert wird, dass zum Wohle der Forschung Tiere misshandelt werden müssen? Dass diese Leben Null Wert haben? Dazu ein sehr aufschlussreicher Artikel aus der Webseite von „Ärzte gegen Tierversuche e.V.”. Es werden darin einige Argumente von Befürwortern aufgelistet. Das, meines Erachtens „Beste“ ist wohl dieses: „Student/innen speziell im Bereich Tiermedizin müssen Tötungshemmungen überwinden und auch das Leiden von Tieren ertragen lernen.“ Soweit zu einfühlsamen Doktoren, die uns Patienten als Menschen und nicht als „Fleischstücke auf zwei Haxen“ sehen sollten. Was ich bisher ignoriert habe und was im Gespräch mit Frau Strittmatter herauskam: „Heute gibt es eine geradezu unüberschaubare Vielzahl moderner tierverbrauchsfreier Lehrmaterialien, mit denen sich die Lehrinhalte einprägsam, didaktisch sinnvoll und ethisch einwandfrei darstellen lassen. Allein die Datenbank von InterNICHE listet über 1.200 Filme, Computerprogramme, Simulatoren, Modelle usw.“ Dennoch entscheiden Kursleiter, ob sie mit der ohne Tierexperimente unterrichten wollen. Doch Frau Strittmatter erklärt mir auch, dass es einige Bundesländer in Deutschland gibt, in denen ein tierversuchsfreies Studium gesetzlich verankert ist. Das bedeutet, Studierende haben die Möglichkeit, tierversuchsfrei zu lernen. Allerdings ist das mit Hürden verbunden. „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ plädiert genau dafür, dass dieses Thema offen in Lehrplänen angesprochen wird, dass sogar über die Gefahren von Tierversuchen debattiert wird. Doch diese haben leider Tradition, die Wissenschaft krallt sich daran wie die Mäuse und Ratten im Labor, sich an deren Leben festkrallen. Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer. Hier zum Beispiel Info-Seiten, die angehende MedizinstudentInnen darüber Bescheid geben, ob und wo es möglich ist, bei vollem Respekt für Tierleben zu studieren. „Das Projekt SATIS informiert Studierende über tierverbrauchsfreie Lehrmethoden und vermittelt alternative Lehrmaterialen, rechtliche und fachliche Beratung sowie Informationen über bereits bestehende Alternativen eines tierverbrauchsfreien Studiums.“
Und darüber freue ich mich ganz besonders: „Erfreulich ist die Situation in Freiburg. Sowohl an der Albert-Ludwigs-Universität als auch an der pädagogischen Hochschule (PH) Freiburg kann ohne Tierverbrauch Biologie studiert werden. Eine Umfrage 2016 ergab, dass die Studierenden grundsätzlich keinen „tierischen Organismus“ umbringen oder sezieren müssen, wenn sie das nicht wollen. An der pädagogischen Hochschule Karlsruhe gab es zu diesem Thema zumindest erste Gespräche. Tendenziell gibt es an den Universitäten einen Rückgang der Anzahl verwendeten Tierarten.“
Hier außerdem ein Uni-Check zu diesem Thema. „An deutschen Universitäten werden jedes Jahr Tausende sensibler Lebewesen missbraucht und getötet, um unwissenschaftliche Tierversuche an ihnen durchzuführen. In ihrem Bemühen, die tierversuchsfreie Lehre weiter voranzutreiben, hat sich PETA Deutschland e.V. in einem Schreiben an weit über hundert Fakultäten lebenswissenschaftlicher Studiengänge gewandt und um Informationen über die dort angewandten Lehrmethoden gebeten. Zu den Lebenswissenschaften zählen zum Beispiel Medizin, Biologie und andere Naturwissenschaften. Die Angaben beruhen auf Auskünften der jeweiligen Universität, teilweise auf Aussagen von Studierenden sowie auf von uns gestellten IFG-Anfragen. Die Übersicht soll Studierenden die bewusste Entscheidung für eine tierleidfreie Lehre erleichtern und die Lehrmethoden der verschiedenen Fakultäten transparent machen.“
Zum Vergleich hier ein Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt aus dem Jahr 1997 dazu – also vor nahezu 25 Jahren!- ,wo bereits darüber diskutiert wurde, ob man ohne Gewissensbisse studieren kann: „Statt dessen würden histologische Dauerpräparate, Modelle, Filme, interaktive Computersimulationen und zahlreiche physiologische Selbstversuche eingesetzt. Veterinärmediziner haben keine Möglichkeit, ohne Tierversuche zu studieren. Für die Ausbildung der Humanmediziner wurden 13 601 Tiere eigens für die Übungen getötet (Biologie: 45 027), 1 326 Tiere (Biologie: 12 662) stammen aus anderen Versuchsreihen, sind Totfunde oder Tiere, die wegen unheilbarer Krankheiten eingeschläfert werden mussten. Bundesweit werden jährlich in den Pflichtpraktika der Biologie, Medizin und Tiermedizin 78 856 Tiere eingesetzt. 60 276 Tiere werden eigens für die vorgesehenen Präparationen oder Versuche getötet. 4 023 Tiere werden lebend in Versuchen eingesetzt, 1 318 dieser Tiere überleben den Versuch nicht oder werden im Anschluss daran getötet. In der Humanmedizin und in der Biologie kommen Versuche an lebenden Tieren im Bereich der Pflichtpraktika nur in der Physiologie vor.“
Je mehr ich recherchiere, je mehr ich schreibe, desto mehr schätze ich die Tätigkeit dieses Vereins, denn es wird auf Dinge aufmerksam gemacht, die nicht allgemein bekannt sind. Sie sind nicht nur dazu da, um „Tierversuche anzuprangern“. Da wäre allerdings bereits mehr als genug zu tun. Aber nein. Wichtig finde ich, dass – wie im Gespräch mit Frau Strittmatter klar wird – „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ auch tierversuchsfreie Forschungsmöglichkeiten aufzeigt. Wie Sie sehen, verwende ich absichtlich nicht das Wort „Alternativen“, denn dies hat in diesem Kontext eine ganz bestimmte Bedeutung. An dieser Stelle will ich bewusst noch einmal auf das Motto des Vereins hinweisen: „Medizinischer Fortschritt ist wichtig – Tierversuche sind der falsche Weg!”
Forschung ohne Tierexperimente ist in diesem Fall das Um und Auf, um Tierleben zu retten. Es ist aber essentiell, dass Wissenschaftler auch willens sind, solchen Methoden eine Chance zu geben. Frau Strittmatter führt mich in die Welt dieser NATs ein – die „Non Animal Testing“-Methoden. Die Webseite spricht nicht ohne Grund von „Tierversuchsfreier Forschung im 21. Jahrhundert“. Genau, denn ganz nebenbei bemerkt, wir sind ja nicht mehr im Mittelalter. Ist es möglich, intelligente Kraftfahrzeuge ohne menschliche Fahrer zu bauen, virtuelle Realität wie etwas Alltägliches zu behandeln und trotzdem noch darauf angewiesen zu sein, einem Kaninchen Säure in die Augen tröpfeln müssen, um zu wissen, ob es leidet und in welchem Ausmaß? Und noch einmal: müssen wir Organe lebender Tiere manipulieren, damit sie erkranken, damit wir „erforschen können“ wie wir sie von einer Krankheit heilen können, an die sie vorher gar nicht litten? Klingt da nicht irgendetwas verkehrt?
Gehen wir einen Schritt weiter, es gibt nämlich auch diesen „anderen“ Weg: „Mini-Organe“, „Organ-on-a-chip“, „3D-Bio-Druck“ oder zum Beispiel „In silico“ (also Computersimulation). Frau Strittmatter erzählt mir, dass vor allem die Mini-Organ-Methode, besonders faszinierend ist und dass sie für den Menschen relevante Ergebnisse liefern. Sie weist auf die Sektion „Tierversuchsfrei“ hin. Hier etwas mehr im Detail:
„Der Begriff ist in Anführungszeichen gesetzt, da er impliziert, man müsse Tierversuche nur einfach durch eine andere, „alternative“ Methode ersetzen. Der Tierversuch ist jedoch nicht nur ethisch, sondern insbesondere wissenschaftlich ein veraltetes System. Mit Blick auf den medizinischen Fortschritt ist der Tierversuch sogar ein fatal irreführender Forschungsweg, da er keine zuverlässig auf den Menschen übertragbare Ergebnisse liefert. Anzumerken ist auch, dass eine „Alternativmethode“ nicht zwangsläufig tierversuchsfrei ist, sondern genauso Verfahren umfasst, die lediglich leidmindernd sind oder mit weniger Tieren auskommen.“
Hier noch einmal etwas detaillierter. Besonders interessant finde ich, dass von der Notwendigkeit eines „Paradigmenwechsels“ gesprochen wird.
„Wir sprechen nicht von „Alternativmethode“, da dieser Begriff impliziert, der Tierversuch sei eine im Prinzip sinnvolle Methode, die lediglich ersetzt zu werden braucht. Zudem umfasst der Begriff „Alternative“ sowohl tierversuchsfreie, als auch leidmindernde Verfahren. Wir fordern aber keine bloße Modifizierung eines falschen Systems, sondern einen Paradigmenwechsel, d.h. einen Systemwandel weg vom Tierversuch als Standard hin zu einer modernen, am Menschen orientierten Forschung. Denn gänzlich tierversuchsfreie Methoden zum Beispiel mit menschlichen Miniorganen und Multi-Organchips haben im Gegensatz zum Tierversuch wissenschaftlichen Wert und liefern für den Menschen relevante Ergebnisse.“
„Wenn man sich mit „Alternativmethoden“ befasst, stößt man immer wieder auf den Begriff der 3R. Was versteht man darunter? 3R steht für Reduce, Refine, Replace (Reduzieren, Verfeinern, Ersetzen). Die britischen Wissenschaftler W. Russel und R. Burch haben 1959 das sogenannte 3R-Konzept ins Leben gerufen.
Der Tierversuch als Methode wird dabei nicht in Frage gestellt. Vielmehr soll mittels Ersatz (Replacement) durch nicht oder weniger leidensfähige Systeme, durch Verminderung (Reduction) der Anzahl der Tiere oder durch Verfeinerung (Refinement), z.B. Verminderung der Schmerzen für die Tiere oder tierfreundlichere Haltungsbedingungen, das bestehende tierexperimentelle System verbessert werden. Eine Abkehr vom Tierversuch wird bei diesem Konzept nicht in Erwägung gezogen.“
Es ist so wichtig, sich ein umfassendes Bild zu machen. Viele dieser Tatsachen habe ich bis dato vollständig ignoriert. Eine Aussage lässt mir allerdings keine Ruhe: „Jedes Tier, das in einem Labor stirbt, ist eines zu viel.“ Noch einmal: Genau in diesem Augenblick leiden unzählige Lebewesen, viele unter ihnen dürfen nicht einmal sofort sterben, denn die Forschung will wissen, wie lang sie Schmerz und Leid aushalten.
„Die Ärzte gegen Tierversuche sind der Überzeugung, dass alle Tierexperimente auf der Stelle abgeschafft werden könnten, ohne dass es zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems kommen würde. Im Gegenteil, dem wirklichen medizinischen Fortschritt zum Nutzen des Menschen würde so Vorschub geleistet werden. Realistisch betrachtet wird es zu solch einem Tierversuchsstopp von heute auf morgen jedoch nicht kommen. Tatsächlich ist jeder noch so kleine Schritt von Rückschlägen gekennzeichnet und nur durch zähes Ringen zu erreichen. Jedes Tier, das in einem Labor stirbt, ist eines zu viel. Doch jede Maßnahme, mit der ein Tier vor einem schrecklichen Tod bewahrt werden kann, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Jede Maßnahme, die dazu beiträgt, das Leid der Tiere zu lindern und ihre Anzahl zu vermindern, kann allenfalls als Zwischenschritt auf dem Weg zur vollständigen Abschaffung aller Tierversuche gesehen werden. Selbstverständlich darf hierbei das Endziel – die endgültige Abschaffung des tierexperimentellen Test- und Forschungssystems – nie aus den Augen verloren werden.“ (Quelle)
Dann stoße ich auf eine weitere Präzisierung, auf die ich gerne verzichtet hätte:
„Es ist erfreulich, dass immer mehr Forscher mit Zell- oder Gewebekulturen arbeiten, um vom Tierversuch wegzukommen. Die Zellkulturen jedoch brauchen ein Nährmedium, um am Leben erhalten zu werden und wachsen zu können. Dafür ist es heute noch immer gängige Praxis, sogenanntes Fetales Kälberserum (FKS) zu verwenden. Dieses wird aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen, indem ihnen mit einer Nadel direkt ins Herz gestochen wird. Es wird so lange Blut abgesaugt, bis es blutleer ist und das Kalb stirbt. Das ist ethisch nicht zu rechtfertigen und überdies gibt es Nährmedien, die dem FKS wissenschaftlich überlegen sind, beispielsweise aus menschlichem Blut.“
Das kann doch nicht wahr sein. Im Grunde genommen sind wir vergleichbar mit einem Vampir, nur dass er nicht einen schwarzen Mantel, sondern einen weißen Kittel trägt. Es soll kein Witz sein, ich finde das unvorstellbar barbarisch. Vor allem, wenn wir weiterlesen und erfahren, dass es auch ohne solch ein grauenvolles System ginge:
„Doch es gibt FKS-freie Nährmedien, beispielsweise das humane Blutplättchen-Lysat (hPL). Die Herstellung erfolgt aus humanen Thrombozytenextrakten, die aus abgelaufenen Blutspenden gewonnen werden. Diese werden normalerweise weggeworfen. Zu hPL verarbeitet, würde das Leid der ungeborenen Kälber nicht mehr unterstützt. Durch hPL könnten große Teile des globalen Bedarfs an tierserumfreien Nährmedien gedeckt werden. Die enthaltenen Wachstumsfaktoren sind jenen des fetalen Kälberserums überlegen.“ Überlegen!
Besonders interessant wird es, wenn die „tierfreien“ Methoden wie „Mini-Organe oder Organiode“ erläutert werden. „Diese sind nur wenige Millimeter große Abbilder echter Organe. Meist werden sie aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) gebildet und auf kleinen Kunststoff-Chips aufgebracht. Die Miniaturisierung ermöglicht eine Automatisierung von Testabläufen, so dass sich tausende Substanzen in kürzester Zeit testen lassen, zuverlässig, preisgünstig und schnell und – im Gegensatz zum Tierversuch – auf den Menschen übertragbar.“ Und da lässt ich alles auf ein Chip packen: Lunge, Herz, Nerven, Nieren, Auge, Zunge sogar das Gehirn, etc. Organiode gab es zum ersten Mal vor zehn Jahren. Es wird dabei beanstandet, dass diese nur teilweise den menschlichen Körper abbilden, also nicht als Ganzes. Doch:
„Viele der tierversuchsfreien Modelle können zwar nicht vorhersagen, wie ein kompletter Organismus, ein ganzer Mensch, reagieren wird. Allerdings können Tierversuche dies genauso wenig. Bei Tieren handelt es sich um einen ganzen Organismus, aber um den falschen. Dagegen liefern tierversuchsfreie Methoden mit menschlichen Zellen und Geweben, Miniorganen oder Multi-Organ-Chips, kombiniert mit speziellen Computerprogrammen, die auf menschlichen Daten basieren, im Gegensatz zum Tierversuch, genaue und für den Menschen aussagekräftige Ergebnisse.“
Außerdem zitiert Frau Strittmatter noch eine weitere Methode, die ich atemberaubend finde: den Multi-Organ-Chip oder Mini-Mensch. Praktisch simuliert man auf einem Chip einen funktionierenden menschlichen Körper mit seinen wichtigsten Organen. Doch hier die medizinisch korrekte Erklärung:
„An der amerikanischen Cornell University wurde eine Art künstlicher-Organismus-auf einem-Chip entwickelt. In einem System aus winzigen Gängen und Kammern auf einem Mikrochip werden menschliche Zellen von beispielsweise Magen, Darm, Leber, Blut oder Niere angesiedelt. Ein Wirkstoff zirkuliert in einer Nährflüssigkeit durch den künstlichen Mini-Menschen. Die Wirkung in den einzelnen Organen, seine Verstoffwechslung sowie die mögliche Entstehung giftiger Abbauprodukte können so getestet werden. Sogar Krankheiten des Menschen können mit dem Mikrochip nachgeahmt werden. So können Kombinationen von Wirkstoffen in mit Krebszellen beschichteten „Organen“ des Chips auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden. Tests, die am Tier Monate dauern, lassen sich mit Hilfe der Chips innerhalb von ein bis zwei Tagen durchführen. Das System ist inzwischen patentiert und wird von der amerikanischen Firma Hurel vertrieben.“
„Wissenschaftler der Berliner Firma TissUse haben Multi-Organ-Chips entwickelt. Diese werden mit menschlichen Zellen z.B. von Darm, Haut, Leber, Niere bestückt, die in einer dreidimensionalen Umgebung wachsen und die menschlichen Organe nachbilden.“
„Forscher der Universität Twente im niederländischen Enschede haben ein Lab-on-Chip-Gerät entwickelt, mit dem die Auswirkungen von Arzneimitteln oder toxischen Substanzen auf den Menschen schneller getestet werden können. Der Chip ist in der Lage, Entgiftungsreaktionen nachzuahmen, die im menschlichen Körper auftreten.“
Wozu brauchen wir denn dann noch die Maus? Warum nicht Fördergelder verstärkt in diese Forschung der Zukunft investieren? In eine Zukunft, die effektiv diesen Namen verdient?
Ich frage Frau Strittmatter, ob sie mit dem CAAT in Verbindung stehen. Dem Center for Alternatives to Animal Testing der John Hopkins Universität. Die Antwort ist ja. Sie meint auch, dass das CAAT weitaus mehr politisches Gehör hätte als sie als Verein. Doch es gibt Europa-weit noch weitere Institutionen und Vereinigungen, die ebenfalls Lobby gegen Tierversuche betreiben. So beispielsweise die ECEAE (European Coalition to End Animal Experiments). Hier ein Hinweis darauf.
„Zehn Jahre sind vergangen, seit der erste Hersteller von Botulinumtoxin-Produkten (besser bekannt als „Botox“) eine behördliche Anerkennung für seinen tierfreien Test erhalten hat. Nach Allergan im Jahr 2011 stiegen 2015 und 2018 zwei weitere globale Unternehmen, Merz und Ipsen, auf tierversuchsfreie Tests um. Trotz dieser Kampagnenerfolge der Tierversuchsgegnervereine gehen die extrem grausamen Botox-Tests an Mäusen weiter. Ärzte gegen Tierversuche, Mitglied der European Coalition to End Animal Experiments (ECEAE), fordert die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) auf, den LD50-Test an Mäusen aus dem Europäischen Arzneibuch zu streichen.“
Mein Motto lautet „I wanna know what’s behind“ – also habe ich nachgeschaut, was dieser LD50-Test ist. Zunächst auf der Seite des Deutschen Tierschutzbundes:
„Botox wird im LD50 Test geprüft – einem Tierversuch, der die Wirksamkeit des Stoffes anhand der Todesrate der Tiere misst. Bei dem grausamen Versuch wird ermittelt, bei welcher Dosis 50 Prozent der Mäuse sterben. Dieser Todeskampf der Tiere kann bis zu vier Tage dauern.“ Das kann doch nicht wahr sein? Also habe ich noch weiter recherchiert, diesmal auf der Webseite des Vereins.
Dort findet man eine weitaus detailliertere und deutlichere Erklärung zum „Botulinumtoxin“, welches all unsere Runzeln hinwegfegt. Der Verein „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ erklärt Schritt für Schritt was dahintersteckt.
Besonders erschreckend finde ich die Tatsache, dass „Da das Gift so ungeheuer gefährlich ist, muss es für die Anwendung am Menschen ganz stark verdünnt werden. Dabei kann es zu Schwankungen in der Herstellung kommen. Jede Produktionseinheit (Charge) wird daher auf ihre Sicherheit geprüft, bevor sie in den Verkauf gehen kann. Das Gift wird Gruppen von Mäusen in die Bauchhöhle gespritzt. Jede Gruppe erhält eine andere Verdünnung Botox. Es wird die Menge ermittelt, bei der genau die Hälfte der Tiere stirbt. Dies wird als LD50-Test (LD50 = tödliche Dosis bei 50% der Tiere) bezeichnet. Für die Tiere ist das mit furchtbaren Qualen verbunden. Es kommt zu Muskellähmungen, Sehstörungen und Atemnot. Der Todeskampf kann sich über drei oder vier Tage hinziehen. Die Nager ersticken schließlich bei vollem Bewusstsein.“
Sicher gibt es unter den Verwendern – Damen wie Herren – solche Leute, die scheinheilig meinen, „mein Botox ist doch schon seit langem auf dem Markt, dafür sterben keine zusätzlichen Mäuse“. Irrtum. Die Pharma-Produzenten wollen stets etwas Verbessertes, Wirksameres, etc. verkaufen, damit sie keine Kunden verlieren und sogar neue dazu erwerben.
„Neben den Chargenprüfungen werden für die Zulassung eines neuen Präparates oder wenn sich im Herstellungsprozess etwas ändert, sogenannte Stabilisierungsprüfungen vorgenommen. Damit soll garantiert werden, dass der Herstellungsprozess immer gleich und stabil abläuft. Diese Stabilisierungstests werden in den ersten fünf Jahren nach Zulassung eines Präparates durchgeführt und gehen mit besonders vielen Tierversuchen einher.“
Also überlegen Sie es sich gut – liebe Botox-Verehrer – bei Ihrem nächsten Botox-Shot. „Jede Produkteinheit wird auf Ihre Sicherheit getestet! Jetzt wissen Sie – wenigstens teilweise – wie es zu diesem Wundermittel kommt. Sollte sich allerdings in Ihrem tiefsten Inneren noch nichts gerührt haben, dann lesen Sie bitte weiter:
„Die britische Tierversuchsgegnerorganisation Cruelty Free International führte im Tierversuchslabor Wickham Laboratories, Hampshire, Großbritannien, eine Undercover-Recherche durch. Die zwischen Februar und Oktober 2009 heimlich gemachten Aufnahmen dokumentieren, wie Mäuse sich im Todeskampf winden. Den Tieren wurde das Botulinumtoxin Dysport® in die Bauchhöhle injiziert.“
Allein für Dysport® mussten 2008 mindestens 74.000 Mäuse den grausamen LD50-Test durchleiden. Den eigenen Angaben von Wickham zufolge wurden im Juli 2009 an einem Tag 989 Mäuse im LD50-Test getötet.
Die verdeckt gemachten Aufnahmen zeigen Mäuse mit Lähmungen und Atemnot. Mäusen, die den Test überleben, wird mit einem Kugelschreiber das Genick gebrochen oder sie werden vergast.”
Und da ein Bild mehr als 1.000 Worte sagt, hier ein Video: “Die hässliche Wahrheit über Botox”.
Wenn sich jetzt in Ihrem Gewissen immer noch nichts tut, dann kann es wohl sein, dass dieses ebenfalls vom Botox – sofern Sie davon Gebrauch machen – gelähmt wurde. Ähnlich wie die Muskulatur, die sich nicht mehr kontrahieren soll, um jung und frisch auszusehen.
Noch einmal: wir fügen Lebewesen all dieses Leid zu, um unsere Falten „vorübergehend“ zu glätten. „Vorübergehend“, wohingegen das Leben dieser Mäuse für immer vernichtet ist.
Klammer zu. Vielleicht nicht ganz sofort. Wie viele unter Ihnen leben übrigens im guten Glauben, dass Kosmetika und Reinigungsprodukte, die das magische Wort „vegan“ auf der Packung haben, tierfreundlich sind? Ich bin die erste, welche die Hand hebt. Ja, genau, eine Zeit lang war ich der Überzeugung, „vegan“ sei OK. Nein, ist es nicht. Denn dies bedeutet lediglich, dass diese Produkte keine Bestandteile tierischen Ursprungs, wie zum Beispiel Honig, beinhalten. Das bedeutet leider nicht, dass sie nicht an Tieren getestet wurden. Denn meistens sind solche Versuche gesetzlich vorgeschrieben, um ein Produkt überhaupt auf den Markt bringen zu dürfen, erst recht beispielsweise in China. Und was das mit sich bringt, wenn Kosmetika beispielsweise an Lebewesen ausprobiert werden, das kann man auf der Webseite von „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ nachlesen. Frau Strittmatter hatte mir bereits zu Beginn angedeutet, dass eine der Hauptaufgaben des Vereins die Aufklärungsarbeit ist. Doch ich hätte mir nicht eine solch umfassende Webseite erwartet. Man findet zu jedem Punkt mindestens einen Artikel und vor allem auch viele Daten, Studien und Auswertungen. Hier zum Beispiel genau zum Thema Schönheitsprodukte für Mensch und Haus und den damit zusammenhängenden Siegeln etc. Ich überlege mir beim Lesen, dass all dies einen eigenen Beitrag verdient.
Also zurück zu meinen vielen Fragen für Frau Strittmatter. Wie werden Sie als Verein von den Wissenschaftlern, Pharma-Unternehmen, Ärzten, usw. behandelt? Das klingt wie eine naive Frage, ich weiß, ist es aber nicht. Frau Strittmatter erklärt mir gleich, dass die Tierversuchsbefürworter all ihre Argumente niederschmettern. Allerdings haben sie keine wissenschaftlichen Beweise, um dies zu tun. Wenn man hingegen die Webseite von „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ durchstöbert, dann sieht man sofort, dass einige Rubriken „Statistiken“, „Datenbanken“, „Informationen über Fördergeldern“ etc. gewidmet sind. So findet man zum Beispiel beim Artikel zu den „Alternativmethoden“ hin und wieder Fußnoten. Diese sind nichts anderes als der Hinweis auf die zahlreichen Quellen. Frau Strittmatter, die übrigens diesen Artikel mit unterzeichnet, fährt mit ihrer Erklärung fort: Wir belegen alles mit wissenschafltichen Studien. Die Tierversuchslobby vertritt einen sehr lukrativen Wirtschaftszweig. Daher treffen wir mit unseren Aussagen und Beweisen einen sehr wunden Punkt. Tierversuche sind eindeutig gefährlich. Doch sie bleiben ein Milliardengeschäft.
Nach all dem frage ich Frau Strittmatter, sind Sie alleine in Ihrem Kampf um das Leben so vieler Tiere? Sie meint kopfnickend, ja, wir sind in Deutschland der einzige Ärzteverein, der sich für das Ende der Tierversuche einsetzt und sich ausschließlich auf dieses Thema spezialisiert hat.
Ich habe übrigens „Doctors against animal testing“ als Schlagworte in Google eingegeben. Das einzige Resultat, das dabei herauskommt, ist „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“. Das beeindruckt mich sehr stark. Einerseits bedeutet es, dass der Verein eine bemerkenswerte Arbeit leistet und weltweit bekannt ist. Andrerseits denk ich mir „wo bleiben die anderen?“ Kann es sein, dass die Tierexperiment-Lobby so stark durchgreift, dass sich kaum weitere Ärzte finden lassen, die ihre Stimme gegen diese Gräueltaten erheben? Ich schätze mehr und mehr die Tätigkeit des Vereins.
Meine letzte Frage an Frau Strittmatter „Wird es Sie 2050 noch brauchen?“ Die Antwort lässt nicht auf sich warten: „Tierversuche könnte man im Prinzip heute abschaffen. Die Menschheit würde nicht zugrunde gehen, im Gegenteil, einer modernen und für Menschen relevanten Forschung würde Platz gemacht werden. Leider sind Politik und Lobby starke Gegner. Die Niederlande, die Vereinigten Staaten und Schweden haben zum Beispiel den Ausstieg konkret ausgehend von einem politischen Willen in die Wege geleitet. Die Alternativmethoden wie die 3D-Computersimulation haben eine große Zukunft. Daher ist Aufklärungsarbeit auch so wichtig. Ob es Ärzte gegen Tierversuche 2050 noch geben muss, das hoffe ich nicht.“
Es wäre fein, wenn es in 30 Jahren den Internationalen Tag des Versuchstieres nicht mehr geben müsste – wenn all das einer schrecklichen Vergangenheit angehören würde. Hier mehr dazu. “Der 24. April ist der Internationale Tag des Versuchstieres (World Day for Laboratory Animals). Der Gedenk- und Aktionstag wurde 1962 von der britischen Tierrechtsaktivistin, Muriel Lady Dowding, ins Leben gerufen. Als Datum wählte sie zu Ehren ihres Ehemannes, Baron Hugh Dowding, den Geburtstag des hochdekorierten Royal-Air-Force-Offiziers und späteren Tierschutzaktivisten. Lady Dowding engagierte sich besonders gegen Tierversuche in der Kosmetik. Der Lord setzte sich im britischen Oberhaus für den Tierschutz ein. In der Woche um dieses Datum wird weltweit von Tierschutzorganisationen wie dem Deutschen Tierschutzbund e.V. der Labortiere gedacht und die Abschaffung von Tierversuchen gefordert. Auch der Verein ‘Ärzte gegen Tierversuche’ ruft zu einem bundesweiten Aktionstag auf.“
Ich kann da nur hinzufügen, ich empfinde es als Ehre, dass ich dieses Interview führen durfte. Die Leidenschaft und die Überzeugung haben aus jedem Wort geklungen. Ich habe dank Frau Strittmatter und meiner Recherche so viel dazu gelernt. Leider viel Unerfreuliches, aber genau das muss und will ich Ihnen weitergeben. Denn wir müssen darüber reden und anderen die Augen öffnen. „Im Oktober 2019 wurden verdeckt gemachte Aufnahmen aus dem Labor in Mienenbüttel veröffentlicht, die entsetzliche Zustände zeigten: Hunde in blutverschmierten Zwingern, Affen in winzigen Käfigen und eingepfercht in sogenannte Primatenstühle. Im Januar 2020 wurde dieses Labor von den Behörden geschlossen. Ein Großteil der Hunde und Katzen konnte in private Hände vermittelt werden. Die Affen wurden allerdings an den Händler zurückgegeben, d.h., sie erwartet der Tod in einem anderen Labor.”
Das darf nicht mehr sein – Danke Frau Strittmatter Ihnen und all den Tätigen im Verein Ärzte gegen Tierversuche e.V. für all das, was Sie täglich tun! IAMA
Titelbild / Bild: privat
Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.
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